Das Landratsamt hat am 5. Februar 2025 in einer Pressemitteilung bekannt gegeben, dass der Erzgebirgskreis zunächst im Zeitraum zwischen 1. Januar und 31. Dezember 2025 auf das Vorkaufsrecht für Naturschutzflächen verzichtet. Die öffentliche Bekanntmachung der „Allgemeinverfügung über den Verzicht auf das Vorkaufsrecht nach Naturschutzrecht“ erfolgte am selben Tag.
Nach § 66 Bundesnaturschutzgesetz steht den Ländern ein Vorkaufsrecht an Grundstücken zu, die sich in Nationalparken, Nationalen Naturmonumenten, Naturschutzgebieten usw. befinden, sofern dies aus Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege einschließlich der Erholungsvorsorge erforderlich ist. Mit § 38 Sächsisches Naturschutzgesetz, der im Juli 2024 ergänzt wurde, haben Gemeinden und Landkreise nun gleichfalls dieses Vorkaufsrecht.
Wie begründet der Landkreis den Verzicht auf das Vorkaufsrecht? Hauptargument ist, Notare müssten sonst zu allen Kaufverträgen über Grundstücke im Erzgebirgskreis beim Landratsamt eine Vorkaufsanfrage nach § 66 Bundesnaturschutzgesetz stellen, was für Notare und das Landratsamt „zu einem erheblichen Aufwand führen“ würde, der „in keinem Verhältnis zu dem tatsächlich ausgeübten Vorkaufsrecht“ stünde. Der Grundstücksverkehr im Landkreis Erzgebirgskreis würde „unnötig erschwert“.
Wie handhaben die anderen Landkreise und kreisfreien Städte in Sachsen das Vorkaufsrecht auf Naturschutzflächen? Unsere Recherche hat ergeben, dass die Landkreise Bautzen, Görlitz, Leipzig, Meißen, Mittelsachsen, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Vogtlandkreis und Zwickau sowie die kreisfreien Städte Chemnitz und Dresden ebenfalls auf das Vorkaufsrecht verzichten, größtenteils bis auf Widerruf, also unbefristet – mit der gleichen Begründung wie der Erzgebirgskreis, auch die Haushaltslage und anderes wird erwähnt. Zur Stadt Leipzig und zum Landkreis Nordsachsen haben wir in den Amtlichen Bekanntmachungen keinen Eintrag gefunden, dass sie auf das Vorkaufsrecht verzichten. Wir haben dort angefragt und warten noch auf die Antwort.
Demnach verzichten mindestens elf der dreizehn sächsischen Landkreise und kreisfreien Städte auf das Vorkaufsrecht, der Erzgebirgskreis steht mit seiner Entscheidung also nicht allein da.
Dazu Kay Meister von der SPD-GRÜNE-Fraktion: „Das im Sächsischen Naturschutzgesetz neu eingeräumte Vorkaufsrecht von Naturschutzflächen ist aus meiner Sicht sinnvoll. Wirkungsvoller Naturschutz funktioniert nur über Flächenverfügbarkeit, am besten im Eigentum. Ich verstehe, dass der bürokratische Aufwand im Landratsamt, konkret in der unteren Naturschutzbehörde, erheblich ist, gerade angesichts der Personalsituation. In meinen Augen ist die Lösung aber nicht, auf vernünftige Verwaltungsaktivitäten zu verzichten, sondern die Personalsituation der unteren Naturschutzbehörde zu verbessern. Ich hätte mir mehr noch das Vorkaufsrecht für Naturschutzverbände gewünscht, da aus meiner Erfahrung das gesellschaftliche Interesse für die dauerhafte Sicherung wertvoller Naturschutzflächen sehr hoch ist. Das zeigen beispielsweise Crowdfundingprojekte* zum Erwerb von Naturschutzflächen auch in unserer erzgebirgischen Region.“
- Pressemitteilung vom 5. Februar 2025, „Erzgebirgskreis verzichtet auf das Vorkaufsrecht nach Naturschutzrecht“: www.erzgebirgskreis.de
- Amtliche Bekanntmachung vom 5. Februar 2025, „Allgemeinverfügung
über den Verzicht auf das Vorkaufsrecht nach Naturschutzrecht“: www.erzgebirgskreis.de
* Crowdfunding, englisch „Crowd“ = Menschenmenge, „Funding“ = Finanzierung -> zahlreiche Personen geben kleinere und größere Beträge zur Finanzierung eines Projekts, meist online
Nachtrag vom 3. März 2025:
Der Landkreis Nordsachsen hat in seinem Amtsblatt vom 21. Februar 2025 bekannt gegeben, dass er vollumfänglich auf das Vorkaufsrecht verzichtet, bis auf Widerruf.
Aus Leipzig erhielten wir am 21. Febuar 2025 Antwort: „Die Stadt Leipzig bereitet derzeit eine beschränkte Allgemeinverfügung über den Verzicht auf das Vorkaufsrecht nach § 38 Sächsisches Naturschutzgesetz i.V.m. § 66 Bundesnaturschutzgesetz vor. Beschränkt deshalb, da die Stadt Leipzig beim Kauf von Rechten nach dem Wohnungseigentumsgesetz und von Erbbaurechten auf die Ausübung des Vorkaufsrechts verzichten will.
Eine vollumfängliche Allgemeinverfügung will die Stadt Leipzig nicht erlassen, da wir uns die Möglichkeiten für Grundstückskäufe im Kontext der Biotopverbundplanung gemäß §§ 20 Abs. 1, 21 BNatSchG i. V. m. §§ 19 Abs. 1 S. 2 SächsNatSchG offen halten wollen.“