Die Heilpflanze des Jahres wird alljährlich vom naturheilkundlichen Verein NHV Theophrastus mit Sitz in Chemnitz gekürt. Für 2025 fiel die Wahl auf die Linde. Heimisch sind bei uns die Sommerlinde (Tilia platyphyllos) und die Winterlinde (Tilia cordata). Die Winterlinde ist im Erzgebirge etwas häufiger anzutreffen als ihre Schwesternart, die mehr Licht benötigt. Beide sind auch schon durch die Dr. Silvius Wodarz Stiftung zum Baum des Jahres gewählt worden, 1991 bzw. 2016. Als Heilpflanze wird von der Linde vor allem die Blüte verwendet, der Tee hilft etwa bei Erkältung. Die jungen, zarten Blätter kann man essen, sie bereichern Salate und Smoothies.
Linden können bis zu dreißig Meter hoch und 1000 Jahre alt werden. Dorflinde, Tanzlinde, Gerichtslinde: Die Linde hat in unseren Breiten eine lange Geschichte, sie ist ein Bestandteil unserer Kultur. Unter der Dorflinde versammelten sich die Menschen einst zum Tanz und hier wurde Gericht gehalten. Im Mittelpunkt vieler Gemeinden des Erzgebirges findet man noch prächtige Exemplare dieses Baumes. Auch als Haus- und Hofbaum spielte die Linde eine wichtige Rolle. Nah am Haus gepflanzt, spendete sie im Sommer Schatten und Kühlung, im Herbst wurde das Laub als Futter und Einstreu verwendet.
„Im Erzgebirge warten die Imker immer schon auf die Lindenblüte, da die Bäume mit ihren unzähligen Blüten eine wichtige Weide für die Honigbienen darstellen“, so Kay Meister von der SPD-GRÜNE-Fraktion. „Vielen Linden jedoch geht es nicht gut. Der Klimawandel und Einflüsse wie Luftverunreinigungen, Streusalz und Bodenversiegelung belasten sie sehr. Die Stadt Marienberg hat den schlechten Zustand ihrer Marktlinden erkannt und setzt Maßnahmen zu ihrer Rettung um. Dazu gehört beispielsweise, dass der Boden um die Bäume herum geöffnet und begrünt wird und dass die Bäume durch Poller und Ketten geschützt werden.“
Im Erzgebirgskreis prägen Linden mitunter auch als Straßenbäume das Landschaftsbild. Hier sind sie ebenfalls bedroht. Mehr als 40 Prozent der Straßenbäume in Sachsen sind geschädigt, an Kreisstraßen mehr als an Bundes- und Staatsstraßen, wie aus der Antwort des Infrastrukturministeriums auf eine Anfrage der Grünen im Sächsischen Landtag hervorgeht. Demnach wurden vom 1. Januar 2019 bis 31. Dezember 2024 in Sachsen an Bundes‑, Staats- und Kreisstraßen 8285 Bäume gefällt und nur 3408 neu gepflanzt.
Der Waldzustandsbericht Sachsen von September 2024 des Staatsministeriums für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft führt die Linde in der Rubrik „Sonstige Laubbäume“. Mit einem Anteil von 16 Prozent sind die „sonstigen Laubbäume“ die baumartenreichste Gruppe. Im Zeitraum von 2008 bis 2017 bewegte sich der mittlere Blattverlust dieser Baumartengruppe zwischen 17,5 und 19,2 Prozent. Der aktuelle Wert liegt mit 26,6 Prozent deutlich höher. Kay Meister: „Dies verdeutlicht den angeschlagenen Gesundheitszustand der Waldbäume. Die Klasse der deutlich geschädigten Bäume liegt bei 37 Prozent. Der Anteil der ungeschädigten Bäume beläuft sich auf 26 Prozent. Schon seit mehreren Jahren war bei den sonstigen Laubbäumen eine relativ hohe Sterberate zu verzeichnen. Die hohen Sterberaten seit dem Jahr 2018 sind hauptsächlich auf die Dürre und ihre Folgeschäden zurückzuführen.“
Prächtige Linden spenden Schatten, sorgen für bessere Luft, kühlen ihre Umgebung ab, wenn es im Sommer gar zu heiß ist, sie sind Nahrungsquelle und Wohnort für Tiere von Insekten bis Vögel. Sie benötigen unsere Aufmerksamkeit und Schutz, denn bis ein neuer Baum die „Arbeit“ eines alten Baums erledigen kann, vergehen Jahrzehnte. Wer etwas beitragen möchte, kann in der App „Flora Incognita“ unter „Findet unsere Baumriesen“ alte erzgebirgische Linden – sowie andere Baumriesen – erfassen.
Zum Weiterlesen:
- Anfrage Grünen-Landtagsfraktion Zustand Straßenbäume Sachsen: https://edas.landtag.sachsen.de
- Waldzustandsbericht Sachsen 2024: https://publikationen.sachsen.de
Zur Person:
Kay Meister ist für die SPD-GRÜNE-Fraktion Mitglied der Verbandsversammlung des Zweckverbands Naturpark Erzgebirge/Vogtland. Er ist freiberuflicher Diplom-Biologe und Umweltbildner sowie Kreisnaturschutzbeauftragter.