Text: Kay Meister
Viele Lebensräume unserer erzgebirgischen Heimat sind aufgrund ihres kargen Bodens von ausgesprochener Nährstoffarmut gekennzeichnet. Dies betrifft sowohl die Waldstandorte, die einst das gesamte Gebirge bedeckten, als auch die Offenlandbiotope, die im Wesentlichen durch die Tätigkeit des Menschen entstanden sind. Hier entwickelten sich ursprünglich an vielen Orten im Erzgebirgskreis die typischen Bergwiesen mit ihrer unverwechselbaren Flora, zum Beispiel Zittergras, Heidenelke, Arnika und Klappertopf. In Lagen tiefer als circa 600 Meter über NN prägten eher die Flachlandmähwiesen die Landschaft.
In Gegenden des Erzgebirgskreises mit einer hohen Dichte noch relativ intakter Bergwiesen wurden nach dem Jahr 2000 spezielle Schutzgebiete wie Fauna-Flora-Habitat (FFH) und Natura 2000 definiert, die dem Erhalt dieser wertvollen Biotope dienen sollten. Leider ist es bisher nicht gelungen, den Erhaltungszustand der Bergwiesen im Erzgebirge insgesamt zu stabilisieren. Ein wesentlicher Grund dafür ist die aktuelle Überfrachtung unserer Landschaft mit Nährstoffen aus der Atmosphäre. Hier spielen vor allem Stickoxide – Stickstoffverbindungen – eine Rolle, die unter anderem den Abgasen von Verbrennungsprozessen, vor allem des Straßenverkehrs, entstammen. Sie sorgen dafür, dass unser Erzgebirge diffus über die Luft in einer Höhe mit Stickstoff gedüngt wird, wie noch in den 1950er-Jahren ein Landwirt seinen Acker durch Mist aus der Tierhaltung versucht hat zu verbessern.
Die Folgen sind gravierend. Viele Bergwiesenpflanzen haben sich im Laufe der Zeit an die nährstoffarmen Bedingungen angepasst und sind sozusagen genügsam geworden. Einen Nährstoffüberschuss können die meisten von ihnen zwar ebenso nutzen, jedoch sind sie in ihrer Wüchsigkeit vielen stickstoffliebenden Pflanzenarten, zum Beispiel Brennnessel, Stumpfblättriger Ampfer und Knäuelgras, unterlegen und werden von diesen „zugewuchert“. Die Artenvielfalt verschwindet und die ehemals kräuterreichen, blühenden Wiesen degradieren zu monotonen, gräserdominierten „Fettwiesen“.
Eine besondere Rolle spielt in diesem Prozess auch die Vielblättrige Lupine. Einst aus Amerika als Insektenweide und Zierpflanze ins Erzgebirge eingeschleppt, gelangt die Art mit Gartenabfällen oder Samenverschleppung etwa durch Hochwasser auch auf unsere erzgebirgischen Bergwiesen und breitet sich dann dort rasch aus. Als sogenannte Leguminose besitzt sie die Fähigkeit, Luftstickstoff mithilfe von symbiotischen Bakterien in Wurzelknöllchen zu fixieren und ihren Standort damit zu düngen. Einmal auf einer Bergwiese gelandet, wandelt sie ihren Wuchsort schnell um und lässt sich aufgrund ihrer Wüchsigkeit und ihrer Pfahlwurzel nur schwer bekämpfen.
Naturschutzeinrichtungen wie das kreiseigene Naturschutzzentrum Erzgebirge haben die Entwicklung im Blick und engagieren sich bei der Rodung von Lupinenbeständen auf sensiblen Standorten. Aber auch Sie können etwas tun: Pflücken Sie an Wegrändern, Straßen oder Wiesen Lupinen und stellen Sie sie zu Hause als Dekoration in die Vase. An Straßen bitte auf Autos und Co. achten und natürlich keine Privatgrundstücke betreten. Sind die Lupinen verblüht, entsorgen Sie sie am besten in der Restmülltonne. So haben Sie einen kostenlosen schönen Strauß für sich und tun dabei etwas Gutes. Schaffen Sie wieder Raum für die erzgebirgischen Bergwiesenpflanzen! Vielen Dank.
Zur Person:
Kay Meister ist für die SPD-GRÜNE-Fraktion Mitglied der Verbandsversammlung des Zweckverbands Naturpark Erzgebirge/Vogtland. Er ist freiberuflicher Diplom-Biologe und Umweltbildner sowie Kreisnaturschutzbeauftragter.